Wohngemeinschaft für Senioren im früheren Molkereigebäude

In der Marktstraße, im Zentrum von Erkheim, gibt es seit dem 01.12.2014 eine ambulant betreute Wohngemeinschaft (WG) für ältere Menschen mit Unterstützungsbedarf. Die ECHO-Redaktion sprach hierzu mit Evi Uhl, Rosi Braun und Horst Kirchgessner.

 

Wohngemeinschaften für Senioren waren vor zehn Jahren noch etwas ganz Neues. Wie kam es zur Gründung einer solchen gerade in Erkheim?

Evi Uhl: Hier trafen gleich mehrere Dinge zusammen. Unser Verein, die Familiengesundheit 21, hatte damals bereits eine Wohngemeinschaft mit dem gleichen Konzept in Memmingerberg initiiert. Einer der dortigen Vermieter hatte gerade, zusammen mit einem weiteren Investor, die stillgelegte Erkheimer Molkerei erworben und bei Familiengesundheit 21 e.V. angefragt, ob wir uns ein entsprechendes Projekt auch in Erkheim vorstellen könnten. Außerdem erarbeitete in dieser Zeit die Marktgemeinde unter großer Bürgerbeteiligung die Quartiersentwicklung "Wohnen und Leben in Erkheim". Im Rahmen dieses Prozesses wurde vielfach auch der Wunsch geäußert, dass sowohl ambulante Betreuungsmöglichkeiten wie auch barrierefreies Wohnen für Senioren entstehen sollten.

Was unterscheidet die Wohngemeinschaft von einem Seniorenheim?

Evi Uhl: Eine Wohngemeinschaft muss mindestens 8 und maximal 12 Bewohner haben. Im Vordergrund steht bei dieser Wohnform die Selbstbestimmung der dort lebenden Menschen bzw. der für sie rechtlich verantwortlichen Angehörigen. Dies bedeutet, dass die Senioren als Mieter das Hausrecht ausüben. Die sie betreuenden Kräfte, welche die Betreuung oder Pflege sicherstellen sind Dienstleister, die kommen und nach getaner Arbeit wieder gehen. Es gibt kein Büro o.ä. in der WG für die Dienstleister.

Rechtlich organisiert wird das über drei Verträge: einen Mietvertrag für das Zimmer und anteilig für die Gesamtfläche, einen Vertrag mit dem Pflegedienst und einen Betreuungsvertrag für die Alltagsbegleitung.

Das hört sich schwierig an!?

Evi Uhl: Kompliziert ist es eigentlich nicht. Über das Budget, das aus diesen drei Verträgen der Bewohner entsteht, finanzieren und organisieren wir die Betreuung unserer Bewohner und planen den Personaleinsatz der aktuell ca. 19 Mitarbeiter im Haus. Der Pflege- und Betreuungsdienst, der den ganzen Tag und auch nachts in der WG anwesend ist, gewährleistet eine bedürfnisgerechte Pflege und Betreuung. Dieses multiprofessionelle Team ist in den Jahren zusammengewachsen und sorgt für eine familiäre Atmosphäre im Alltag.

Für einen Außenstehenden ist diese Organisationsform sicherlich nicht sofort nachvollziehbar - oder?

Horst Kirchgessner: Man ist auf Hilfe angewiesen, um rechtzeitig alle Anträge zu stellen, damit man die Leistungen aus der Pflegeversicherung auch erhält. Als meine Mutter vor etwa drei Jahren hier eingezogen ist, wurde ich aber durch diesen für mich emotional belastenden Prozess super begleitet. Bei allen behördlichen Angelegenheiten erhalten wir seitdem immer eine verlässliche Beratung und Hilfestellung.

Wie hat sich Ihre Mutter hier eingewöhnt und wie sieht der Alltag aus?

Horst Kirchgessner: In der Wohngemeinschaft werden ja nur zehn Personen betreut. Viele vertraute Tagesabläufe halfen meiner Mutter, sich rasch einzugewöhnen. Alltagstätigkeiten wie Kochen, Backen, Vorlesen, Spielen oder Musizieren finden innerhalb des Hauses statt. Da entsteht sofort eine sehr persönliche und vertraute Atmosphäre.

Wie sind Sie mit der Entscheidung für die Wohngemeinschaft zufrieden?

Horst Kirchgessner: Uns hat das Konzept von Anfang an sehr gut gefallen. Mit ihren zehn Bewohnern ist die WG sehr persönlich und auch für Menschen im Alter gut überschaubar. Es wohnen Frauen und Männer mit unterschiedlichem Hilfebedarf zusammen. Neben pflegebedürftigen Personen leben hier Menschen, welche viel emotionale oder soziale Hilfestellung im Alltag brauchen. Für mich war es ein großer Vorteil, dass meine Mutter in Erkheim bleiben konnte. Da ich in Laupheim arbeite und dienstlich oft abwesend bin, bleiben mir nur die Abende und die Wochenenden, um meine Mutter zu besuchen. Es ist viel einfacher für uns alle, dass meine Mutter nur ein paar Minuten entfernt wohnt und ich sie immer unkompliziert besuchen oder zu mir nach Hause holen kann. Viel Sicherheit gibt mir auch die Perspektive, dass meine Mutter bei sich erhöhendem Pflegebedarf in diesem Haus bleiben kann. Es war die richtige Entscheidung.

Sie arbeiten in der Wohngemeinschaft ehrenamtlich. Wie sind Sie dazu gekommen?

Rosi Braun: Nach meinem Renteneintritt wollte ich weiterhin sozial tätig sein. Ich absolvierte deshalb einen Lehrgang als Demenzbegleiterin bei der Familiengesundheit 21. Nach dem Kurs fragte mich Frau Uhl, ob ich Interesse hätte, mit einer ihrer Heimbewohnerinnen regelmäßig spazieren zu gehen. Nach einer Weile fragte sie mich dann, ob ich in der WG auch beim Kochen aushelfen könnte. Zusammen mit den Bewohnern hatte ich bei der Zubereitung des Essens so viel Freude, dass ich nun seit einigen Jahren ehrenamtlich einige Male im Monat dort koche.

Hat sich Ihre Tätigkeit mit der Zeit verändert?

Rosi Braun: Inzwischen übernehme ich auch allgemeine Betreuungsaufgaben wie Frühstück richten und Essen eingeben, mit den Bewohnern spielen oder rätseln und hauswirtschaftliche Arbeiten wie Wäsche waschen. Eben alle Tätigkeiten, wie sie auch in einer Familie anfallen. Da eine Fachkraft durchgehend anwesend ist, kann ich immer fragen oder mir Hilfe holen.

Die Wohngemeinschaft besteht jetzt seit sieben Jahren. Wie sehen Sie das rückblickend?

Rosi Braun: Ich gehe immer gerne in die WG. Die Zusammenarbeit sowohl mit den Pflege- und Betreuungskräften als auch mit den Bewohnern macht mir immer noch viel Freude. Wir helfen bei allen anfallenden Aufgaben zusammen und fühlen uns wie eine große Familie.

Evi Uhl: Wir haben uns damals bewusst für Erkheim als Standort entschieden, weil der Wunsch nach einer solchen Wohnform so groß war. In den ersten Jahren hatten wir allerdings nur wenige Mieter direkt aus der Gemeinde, sondern überwiegend aus der Umgebung. Seit einiger Zeit kommen jetzt aber auch vermehrt Anfragen direkt aus dem Ort und der näheren Umgebung. Derzeit haben wir drei Bewohner aus Erkheim. Wir würden uns natürlich freuen, wenn es langfristig noch mehr werden.

Die ECHO-Redaktion bedankt sich für das Gespräch!